Rostock, den 17.03.2019 - 13:30 Uhr
Winter 2015/2016: Die Bodden waren dick vereist und trotzdem boten einige Fischer der Region in ihren Geschäften frischen Boddenzander an. Wie geht denn das? Unser Sportfreund Volker Stephan, der u. a. als Journalist für die Ostsee-Zeitung arbeitet, war dem Rätsel auf der Spur.
Das ganze Geheimnis des erfolgreichen Zanderfangs im Winter besteht im richtigen Klappern, sei vorab verraten. Aber der Reihe nach:
Statt sich bei Boddeneis dem Müßiggang hinzugeben, packt Fischereimeister André Grählert bei ausreichender Eisstärke die Utensilien für eine alte Fischereitechnik in seinen Transporter und fährt an eine gut zugängliche Stelle am Bodden. Von dort aus macht er sich in Begleitung eines weiteren Fischers auf den Weg zu den Stellen, die ihm aus früheren Jahren als besonders ergiebig bekannt sind. Die Fanggerätschaften liegen auf einem Schlitten, der von einem Rasentraktor gezogen wird. Einst nutzten die Fischer mit ihren traditionellen Segelschlitten die Windkraft als Antrieb, heute sind neben Rasentraktoren auch Mopeds und Quads als Zugfahrzeuge beliebt. Bodo Schmidt aus Bodstedt behauptet sogar, den Fischer Helmuth Bauer einst mal mit dem Trabbi zu den Eislöchern gefahren zu haben.
An einer vielversprechenden Stelle angekommen, ist zuerst die Eisaxt gefragt. Mit geübten Schlägen schlägt André Grählert ein quadratisches Loch in das etwa 25 Zentimeter dicke Eis. „Das Geräusch einer Motorkettensäge würde die scheuen Zander nur vertreiben. Die Schläge mit der Axt hingegen locken sie an.“
Anschließend gilt es, das etwa 30 Meter breite und 1,8 Meter hohe Zandernetz unter das Eis zu bekommen. Dazu schiebt André Grählerts Gehilfe Harald Wisbeck (57) erst das eine, dann das andere Netzende mit einer 15 Meter langen Aluminiumstange in entgegengesetzte Richtungen. „Oben sind Schwimmer am Netz befestigt, unten kleine Gewichte – dadurch steht es senkrecht“, erklärt André Grählert. Schwimmt nun ein Zander in das für ihn fast unsichtbare Netz, bleibt er mit den Kiemen und Flossen darin hängen.
Doch der Fischer will nichts dem Zufall überlassen. „Bis 1945 haben die Fischer nur abgewartet und gehofft, dass sich einige Fische in das Netz verirren. Dann brachten Flüchtlinge von den Masuren eine ganz neue Technik mit, die sich als sehr effektiv erwies und sofort übernommen wurde: das Klappern.“ Das etwa drei Meter lange Klapperbrett, wahrscheinlich eine alte Bootsplanke, wird zum größten Teil unter das Eis geschoben. Nur das eine Ende mit einem aufgeschraubten Holzklotz bleibt über dem Eis. Auf diesen Klotz schlägt der Fischer nun wie ein Schlagzeuger mit Holzklöppeln ein, etwa fünf Minuten lang. Das Brett überträgt die Schallwellen unter das Eis, wo sie sich im Wasser ausbreiten. Das Geräusch soll die neugierigen Zander mitunter in Scharen anlocken. Den Grund für dieses Verhalten kann André Grählert nicht erklären, aber seiner Meinung nach ähnelt das Klappern dem Geräusch aufbrechenden Eises. An solchen Stellen halten sich dann immer viele kleine Fische auf, die den Räubern als Nahrung dienen.
Vorerst kontrollieren André Grählert und Harald Wisbeck die Netze, die sie bereits am Morgen ausgebracht haben. Zwar sind einige Zander drin, doch so richtig zufriedenstellend ist das Ergebnis nicht. „Vor einer Stunde fuhr der Eisbrecher durch den Bodden – der wird die Tiere scheu gemacht haben“, vermutet André Grählert. Zurück zum soeben ausgebrachten Netz verrät schon Weitem ein Zucken der Leinen, dass mindestens ein großer Fisch Bekanntschaft mit den Netzmaschen geschlossen hat.
Das Einholen des Netzes mit bloßen Händen aus dem eiskalten Wasser ist nichts für zimperliche Leute. Harald Wisbeck, der eigentlich als Rettungsassistent tätig ist, stören solche Unannehmlichkeiten nicht. „Für mich ist das ein spannendes Hobby sowie ein guter Ausgleich für meinen Beruf.“
Bald zeigt sich, dass die Vermutung auf einen guten Fang kein Trugschluss war. Gleich mehrere große Zander zappeln in den Netzmaschen. Mit über zehn Kilo Zander binnen einer guten Stunde ist André Grählert ganz zufrieden. Trotzdem wollen die beiden Männer weiter auf den Bodden hinaus. „In Höhe des Fuchsbergs hatten wir gestern 40 Zander – das war mal ein guter Fang“, verrät der Fischer.
Die Zander aus dem Eis werden kurz darauf küchenfertig in „De lütt Fischhall“ an der Barther Fischereipier zu haben sein – die Barther Kunden warten geduldig auf ihr Eintreffen.
Volker Stephan
Quelle: Text und Fotos (C) Volker Stephan