Vorwort zu Braune-Segel.de
Liebe Webseiten-Besucher,
diese Seiten beschäftigen sich mit Zeesbooten, die mit ihren braunen Segeln - gestern wie heute - das Bild der Boddenlandschaft an der vorpommerschen und mecklenburgischen Küste prägen. Ziel soll es sein, an dieser Stelle eine Plattform für alle Liebhaber und Interessenten dieser hölzernen Fischersegler zu schaffen. Das Herzstück dieser Seiten bildet das erweiterte Zeesboot-Klassenregister. Jedes Boot besitzt eine eigene "Registrierkarte" mit allen verfügbaren Bootsdaten, Informationen zur Geschichte des Bootes, sowie vielen aktuellen aber auch historischen Ansichten.
Zeesbootdrift (Quelle: Deutsches Meeresmuseum Stralsund)
Kurzerklärung Zeesboot + Zeese
Man darf sich mit den Begriffen Zeese und Zeesboot nicht ins Bockshorn jagen lassen. Bei der Zeese handelt es sich um ein zweiflügeliges, sackförmiges Grundschleppnetz mit ein oder zwei Kehlen. Viele Fischerboote haben mit dem Zeesnetz gefischt. Bei den meisten der heute noch erhaltenen Zeesboote, handelt es sich jedoch um einen speziell auf den Boddengewässern beheimateten Bootstypus, welcher als Einzelfahrzeug ohne Motorkraft - ausschließlich unter Segeln vor dem Wind treibend - die Zeese luvseitig gezogen hat (sogn. Treibzeesenfischerei). Die Zeese wurde zum einen durch die langen ausschiebbaren Driftbäume aufgespreizt und zum anderen anhand von Auftriebskörpern an der Oberseite und Gewichten an der Unterseite der Zeese offengehalten.
Treibzeesenfischerei bedeutet: Das Fangfahrzeug (Zeesboot) lässt sich im Verbund mit dem Netz (Zeese) ohne Motorkraft, ausschließlich unter Segeln, in Richtung des Windes treiben (Drift). Es handelte sich um eine sehr schonende Art der Schleppnetzfischerei, da die Zeese ohne Scherbretter - bei niedriger Driftgeschwindigkeit - sanft über den Grund gezogen wurde. So ist der Gewässergrund kaum geschädigt und der Beifang reduziert worden.
Das charakteristische an einem Zeesboot sind keineswegs nur die braunen Segel, wie viele Küstenbesucher vielleicht glauben. Braune Segel waren in der Fischerei allgemein üblich. Ihre Färbung ergab sich aus der Mixtur der Gerbbrühe zur Imprägnierung der Segel, der sogenannten Lohe. Das spezifische an Zeesbooten ist, dass ihre eigentümliche Fischereimethode dem Bootsrumpf eine besondere Bauart abverlangte. Dieser ist wie eine Nussschale geformt, ohne dass unten ein feststehender Kiel herausragt. Die Funktion des Kieles übernimmt - wie bei einer Jolle - ein versenkbares Schwert. Dieses wird benötigt, um die seitliche Abdrift des Bootes beim Segeln einzuschränken, z. B. beim Kreuzen am Wind und heutzutage auch bei Hafenmanövern unter Maschine. Aufgrund ihrer Rumpfform war es den Zeesbooten bei aufgeholtem Schwert möglich, sich quer vor dem Wind treiben zu lassen. Der geringe Tiefgang war ideal zum Befischen der flachen Boddengewässer und zum Erreichen des Liegeplatzes am Ufersaum. Richtige Häfen, wie heutzutage, gab es nämlich zu früher Zeit in den Boddendörfern noch nicht.
Ein weiterer Vorteil dieser Schwertboote ist: Das leichte Holzschwert treibt auf, sobald es flach wird. Man kann rechtzeitig reagieren und damit ein Festkommen des Bootes verhindern.
Legende zur Seitenansicht eines Zeesenbootes (jeweils rechts beginnend)
Segel: Klüver (ohne Vorstag), Fock (am Vorstag geführt; Schot mit Leuwagen), Großsegel (ohne Großbaum, mit Gaffel), Besansegel (auch Bullsegel genannt); oben Gaffeltoppsegel (mit Rah)
Masten, Bäume: Klüverbaum (mit Wasserstag, blau gez.), Mast (mit zwei Paar Wanten und Vorstag), Gaffel (mit Klau- und Piekfall, eiserner Klaue und Rack), Rah Gaffeltoppsegel (mit einer Fall), Bullmast (mit Baum und Rah mit einer Fall).
Nicht gezeichnet sind achtern der Längebaum sowie vorn und achtern die Ausschieber, welche die Driftbreite der Zeese bestimmten.
Rumpf: Von den unterschiedlichen Ausführungen hier die Form mit sogenannten Klippersteven und Rundgattheck; Vor dem Großmast der Lukendeckel des Vörunners (Unterkunft für zwei Fischer) und eine kleine Winde; Klappschwert mittschiffs und achtern das Ruder mit Pinne.
Stander: Der Stander aus rotem Tuch, gesetzt mit der Fall des Gaffeltoppsegels, schmückt das Boot bei festlichem Anlass, wenn die Segel herabgenommen sind.
© Dr.-Ing. Jochen von Fircks / 2015
Was war der Grund für die Entstehung dieser Webseite?
Nach der Wende gab es noch einmal einen deutlichen Zuwachs an Traditionsbooten, welche in der Fischerei nicht mehr genutzt wurden. Dadurch hatten die in den Büchern von Hermann Winkler und Timm Stütz sowie im Buch "Zeesenboote im Nationalpark" veröffentlichten Registrierlisten bald an Aktualität verloren.
Es waren mittlerweile 95 FZ-Nummern* vergeben. Also entschloß ich für mich, die fehlenden Nummern selbst zu recherchieren und eine regelrechte Sammelleidenschaft brach aus. Die genannten Bücher bildeten dafür nach wie vor eine sehr gute Grundlage, da die Registriernummer eines Bootes immer beibehalten und bei Wegfall des Bootes nicht wieder neu vergeben wird. Die Kennzeichnung "FZ" bedeutet übrigens nicht, wie vielfach verbreitet, "Fischerzeese" oder "Fischereizeese". Laut E. Rammin handelt es sich vielmehr um eine, bei der Vergabe des Klassifizierungskennzeichens, zufällige Aneinanderreihung von Buchstaben.
Der Großteil der damals bekannten Bootsdaten stammte aus dem umfangreichen Fundus der "Bodstedter Zeesbootfamilie" Rammin. Besonders gefreut habe ich mich daher, dass Ekkehard Rammin "der Vater der Zeesboote" vor der Einspielung ins Internet noch einmal ein Auge auf das Register geworfen, offene Fragen beantwortet und wertvolle Ergänzungen und Korrekturen gegeben hat.
© Wolfgang Rehme - Sammlung Gerd Junge
Wie ging die Sache weiter?
Mittlerweile hat sich die Homepage (sowie auch meine Frau Heike und ich ;o) fest in der Szene etabliert und ich konnte viele wertvolle Kontakte und Freundschaften knüpfen.
So hat sich u. a. auch die freundschaftliche Zusammenarbeit mit Nils Rammin, seines Zeichens Bootsbaumeister und Inhaber der Werft Rammin in Barth ergeben. Nils trägt fachlich und durch das bei ihm und in seiner Familie vorhandene Bootswissen einen wichtigen Beitrag zu diesen Seiten!
Anhand der von ihm seit seiner Kindheit zusammengetragenen historischen Bootsdaten, wurde das Zeesbootregister Stück für Stück überarbeitet und durch viele alte Bilddokumente ergänzt. Heute gibt es nur noch wenige "Eingeweihte", die hierzu Auskunft geben können. Es gilt das noch verfügbare Material zu sichern und zu dokumentieren, bevor es in Vergessenheit gerät.
Rostock, seit September 2005
Uwe Grünberg