Die Geschichte der Zeesboote

 

Eine umfangreiche Zusammenstellung geschichtlicher Fakten, von Uwe Grünberg, unter Verwendung von Quellen aus der Fachliteratur.


Zeesboote, zu hochdeutsch Zeesenboote genannt, sind an die flachen, von der Ostsee durch Inseln, Halbinseln und Nehrungen abgetrennten inneren Küstengewässer angepasste hölzerne Fischersegler.
Das sackförmige Fangnetz "die Zeese" gab den Booten ihren Namen. Im Dänischen werden sie als Aledrivkvase, Drivkvase (anfangs Tyskekvase) bezeichnet. Die Entwicklung des bis heute vorherrschenden Bootstyps hat sich über einen langen Zeitraum hinweg vollzogen.

Als Arbeitsboote waren Zeesboote im Laufe der Zeit ständigen technischen Veränderungen und Neuerungen ausgesetzt. Man findet daher heute, auch unter den alten, noch während der Zeit der Zeesenfischerei gebauten Fahrzeugen, kein Boot mehr im Urzustand vor.

Was die Decksaufbauten betrifft, so hat man je nach dem heutigen Verwendungszweck die Boote entweder weitestgehend original zurückgebaut, oder unter zumeist vertretbaren Kompromissen zum Familienboot umfunktioniert. Die Konstruktion des Rumpfes und der Takelage hat sich dabei aber erhalten, so dass die Boote wenn sie z. B. bei Zeesbootregatten zuhauf auftreten, ein einheitliches Erscheinungsbild abgeben.

Die ältesten Plankenbootsfunde Europas (4. Jh. V.u.Z.) gehen auf die Wikinger zurück. Hierbei handelt es sich um Flachboden oder Kielschiffe.

  • 1863 - wurde im Nydam-Moor (Südjütland) ein Langschiff von 22,84m Länge und 3,26m Breite ausgegraben. Es wurde auf das 4. Jh. V.u.Z., die Zeit um 320 n. Chr. datiert. Das Nydam-Schiff, welches in den Schleswig-Holsteinischen Landesmuseen im Schloß Gottorf bei Schleswig ausgestellt wird, besitzt statt einem Balkenkiel eine Bodenplanke (Kielsohle). Es ist ein typisches Fahrzeug des Ostseeraumes, zur Zeit der römischen Kaiser. Man geht davon aus, dass Boote des Nydam-Typs, welche als Kriegsfahrzeuge (Truppentransporter) gebaut wurden, während der Zeit der Völkerwanderung - bei der Übersiedlung der Angeln nach England - eine Rolle gespielt haben. Beim Nydam-Schiff fand man erstmals den Einsatz von Nieten vor, mit denen die Planken des geklinkerten Bootes untereinander verbunden waren.

  • 1959 - wurde in Szczecin ein im Schlamm eingebettetes slawisches Plankenboot entdeckt. Erst 25 Jahre später konnte man, mit Hilfe neuer Datierungsmethoden, das Boot auf das beginnende 9. Jahrhundert bestimmen.

  • 1969 - 1980 In diesem Zeitraum hat man bei Ausgrabungen in Ralswiek auf Rügen ebenfalls 4 slawische Boote aus dem 9. Jahrhundert freigelegt, die in der gleichen Bauweise hergestellt wurden. Es waren geklinkerte Boote, welche in Schalenbauweise errichtet waren, so wie wir sie auch heute noch kennen. Die Besonderheit der slawischen Boote war, sie hatten keinen Kiel, sondern sie wurden auf einer mächtigen eichenen Sohle aufgesetzt.

Auch auf der Insel Wollin hat man solch ein slawisches Boot sowie auch eine einzelne Kielsohle gefunden, die auf das 8. Jahrhundert datiert wurde.

Diese Art des Bootsbaus hat sich über die Jahrhunderte hinweg erhalten und weiterentwickelt. Die Boote wurden vielseitig genutzt. Sie waren Handels,- Kriegs- und Fischereifahrzeug in Einem. Erst sehr viel später wurden daraus reine Fischereifahrzeuge.

  • 1315 - Die älteste bekannte Erwähnung des Wortes „Seyse" findet sich in Buggenhagen bei Lassan am Stettiner Haff. (Seyse = Zeese, steht hierbei für ein Fangnetz)

  • 1449 - Der Chronist Johann Berckmann benutzt den Begriff „Zesekan" in einer Stralsunder Chronik.
  • 1541 - In der ältesten bekannten Haffordnung wird der Zeszekahn genannt. Es werden 91 dieser Kähne gezählt. Die Zeesener dieses Reviers waren in der „Zeesenerinnung zu Hagen" organisiert (heute Reclaw bei Wollin). Über Alter und Organisation der Innung liegen keine Informationen vor.

  • 1601 - wird der Zeeskahn in der ältesten nachweisbaren Stralsunder „Vischer Rulle", der Satzung des Amtes der Zeesner, als „nathe czesekane" bezeichnet. Der Ausdruck „nasser Zeesekahn" deutet darauf hin, dass die Kähne schon einen wasserdurchfluteten Fischkasten besaßen. Das Amt der Zeesner entstand aus einer bereits früher bestehenden Vereinigung der Zeesenfischer.
  • 1628 - Am 03. Februar helfen Stralsunder Fischer mit ihren wendigen Booten das Fahrwasser zwischen dem Dänholm und der Stadt Stralsund zu blockieren und verhindern so den Einfall der wallensteinschen Truppen in die Stadt.

  • 1672 - In Wismarer Ratsakten taucht der Begriff „Zeise" auf.

  • 1681 - erscheint das Wort „Zeesen" in der Barther Fischerrolle.

Es hatte sich eine Entwicklung zur Schleppnetzfischerei hin vollzogen, welche nicht mehr an feste örtliche Reviere gebunden war. Der Netzsack mit dem gefischt wurde, genannt „Zeese" früher auch Mönchssack), gab dem Bootstyp seinen Namen. Die „Zeese" entspricht hierbei einer Wade, welche von einem Boot gezogen wird. Der Zeeskahn besitzt, wie auch das spätere Zeesboot, statt einem Balkenkiel eine Bodenplanke (Kielsohle). Diese bietet einen geringeren Widerstand gegen eine seitliche Abdrift. Das Boot kann so quer vor dem Wind treiben. Um am Wind segeln zu können, besitzen die Fahrzeuge Seitenschwerter.

Die Zeeskähne des Oderhaffs waren 22m in der Länge messende, 2-mastige Fahrzeuge von 7m Breite, mit Balkensteven, zwei Seitenschwertern, zwei festen Luggersegeln (später Sprietsegel) und Focksegel. Sie waren auf Kielsohle aufgebaut. Der Tiefgang betrug 1m. Die Bootslänge von 22m resultierte daraus, dass der Netzsack durch das vor dem Wind treibende Boot offen gehalten werden musste. Die Besatzung bestand aus 5-6 Mann.

Seit dem frühen Mittelalter lag die Fischereigerechtigkeit bei den Städten. Die Fischerei in den Dörfern wurde niedrig gehalten. Erst nach dem Ende der Leibeigenschaft und mit der Einführung der Gewerbefreiheit hat sich zu Anfang des 19. Jahrhunderts der Bootsbau, die Schiffahrt und somit auch die Zeesenfischerei in den Boddendörfern entfalten können. Zur Blüte der Zeesenfischerei gab es hier auch zahlreiche kleine Werften.

Am Stettiner Haff hingegen, kamen die Fischer schon sehr früh aus den Dörfern. Aus der Haff-Zeesenfischerei heraus, hat sich die des Stralsunder Reviers entwickelt.

Die Stralsunder Zeeskähne sollen sich in Größe und Ausführung von denen des Stettiner Haffs unterschieden haben. Über ihr Aussehen liegen uns allerdings erst Beschreibungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts vor. Stralsunder Amtszeesner gaben folgende Beschreibung: "Es waren auf Sohle aufgesetzte, geklinkerte, spitzgatte Fahrzeuge von 13m Länge. Sie waren einmastig und hatten einen festen Klüver- und Achterbaum. Die Besegelung bestand aus losem Klüver, Stagfock sowie baumlosem Gaffelgroßsegel. Wahrscheinlich wurde zu früherer Zeit auch ein Sprietsegel gefahren." Die Stralsunder Zeeskähne hatten eine Besatzung von 2-3 Mann.

  • 1800 - Etwa um diese Zeit entwickelte sich ein kleinerer, aber effektiverer Bootstyp - das Zeesboot. Dieses erreichte nur die Hälfte der Länge und der Breite der großen Zeeskähne. Die Entwicklung zum Zeesboot scheint sich von den Fischerdörfern aus, in das sundische Revier hinein vollzogen zu haben. Viele Familienväter fuhren auf einem Segelschiff zur See. Der meist schon greise Vater ging mit dem Enkel (bzw. mit einem noch minderjährigen Jungen) zum Fischen. Durch neuartige lange Driftbäume, die ausgefahren werden konnten, war auch beim Einsatz kleinerer Boote, das gleiche zum Aufhalten des Netzes erforderliche Maß von ca. 17m zu erreichen, wie beim Zeeskahn. Die kleinen Zeesboote waren wendiger und durch die auf 2 Mann dezimierte Besatzung effektiver, als die schwerfälligen Zeeskähne. Die Art der Takelung hatten die Seeleute unterwegs auf ihren Reisen, auf der Elbe, in Holland und an der englischen Küste gesehen. Es gab das Gemeinschaftsprinzip, bei dem Großvater/Enkel, Vater/Sohn oder zwei Brüder zusammen fischten und das Anteilfischerprinzip, bei dem der Schipper (2/3), zusammen mit seinem Knecht bzw. Maat oder Macker (1/3), fischte.

  • 1858 - findet sich ein erster aktenkundiger Beleg für das Wort „Zeesboot", und zwar im Zusammenhang damit, dass für alle Zeesboote ein wasserdurchfluteter Fischkasten vorgeschrieben wird. Dieser ist zu dieser Zeit noch vor der Besanducht angeordnet. Er ist durch 2 Querschotte eingefasst.

  • 1869 - Das Parlament des Norddeutschen Bundes erlässt eine neue Gewerbeordnung. Es wird u. a. die „Wohnpflicht" aufgehoben. Das gibt auch der Fischerei die Möglichkeit zu expandieren. Daraufhin unternimmt eine ganze Flotte pommerscher Zeesenfischer in den folgenden Jahren mehrere Fangfahrten an die Schleswig Holsteinische Küste. Sie sind dort nicht gerne gesehen. Man befürchtet die Überfischung des Gebietes, mit Auswirkung auf die hier vorherrschende Kleinfischerei. Die Schleswig Holsteiner ignorieren die neue Bundesverordnung, berufen sich auf ihr altes Gewerberecht und verbieten die Zeesenfischerei in bestimmten Gebieten per Polizeiverordnung. Pommersche Fischer werden daraufhin mehrfach abgestraft und ausgewiesen. Stralsunder Amtszeesener, welche durch die Presse zu Unrecht mit den Geschehnissen in Schleswig Holstein in Verbindung gebracht werden, verwahren sich öffentlich gegen die gegen sie hervorgebrachten Anschuldigungen.

  • 1870 - Allerdings weiten Stralsunder Zeesenfischer, wie andere pommersche Fischer, ihre Aktivitäten auf die dänische Küste aus. Diese weit entfernten Fangzüge werden nur deshalb möglich, weil Fischhändler vom Stettiner Haff mit ihren Fischquatzen die gesamte südliche Ostsee unter ihrer Kontrolle haben. Doch auch in Dänemark nimmt der Widerstand gegen die Zeesenfischerei die gleichen Züge an, wie in Schleswig Holstein. Dennoch lassen sich pommersche Fischer in Dänemark nieder. 1871 wird das erste Stralsunder Zeesboot nach Dänemark verkauft.

  • 1870 - Etwa um diese Zeit wird bei den Zeesbooten eine Modeerscheinung von den Großseglern (Clippern) übernommen. Sie werden nun mit Klippersteven und Rundgattheck gezimmert. Die Fischer nennen die Boote nach der alten Bauweise mit spitzem Heck spöttisch: „Lütt Spitzmors".

  • 1872 - gibt es in Stralsund nur noch 7 der alten Zeeskähne. Ihnen stehen 68 kleine Zeesboote gegenüber. Beide Bootsformen haben bislang nebeneinander existiert.

  • 1872 - In Dänemark tritt ein neues Fischereigesetz in Kraft. Durch ein Missverständnis des dänischen Fischereikonsulenten, wird das Wort „Zeesen" mit dem englischen Wort „Trawl", d.h. mit der englischen Baumtrawlfischerei, gleichgesetzt. Somit wurde auch die Treibzeesenfischerei an der dänischen Küste illegal. Erst 15 Jahre später brachte man die Dinge in Ordnung.

  • 1880 - Stralsund galt lange Zeit als Zentrum der Zeesenfischerei. Hier werden zu dieser Zeit 110 Zeesboote gezählt. Diese Zahl wird durch ein Ratsdekret vom 20. September auf 80 reduziert. Fischer, die keine Erlaubnis zum Zeesen mehr erhalten haben, weichenzum Salzhaff, in den Wismarer Raum, an die Schleswig Holsteinische Küste und nach Dänemark aus. Bereits 1850 sind, den Kirchenbüchern nach, Barhöfter Fischer in das Wismarer Gebiet abgewandert. Boote die aus dieser Region stammen, weisen gegenüber den pommerschen Vorbildern geringe Unterschiede in Aufbau und Takelung auf.

Die Fischer haben neben der Fischerei mit ihrem Booten auch anderweilige Arbeiten durchgeführt. So z.B. den Transport von Getreide oder Kartoffeln während der Erntezeit (z. B. von der Insel Rügen nach Stralsund). Auch Steine und Sand wurden transportiert. Kleine Zeesboote wurden zum Steinezangen an der Rügenschen Küste, wie z.B. am Vilm, genutzt. Hierbei haben 2 Boote zusammen über ihr Piekfall „die Brocken" mit großen Zangen aus dem Wasser in die Boote gehievt. Die größeren Zeesboote haben z.B. Sand vom Großen Stubber abtransportiert. Große, schwere Zeesboote, die bei wenig Wind nicht gerade die besten Segeleigenschaften besitzen, wurden daher auch etwas spöttisch als „Sandsegler" bezeichnet. Die Abtragung von Steinen, Kies und Sand für den Haus und Straßenbau hat dazu beigetragen, dass der Stubber mit den Jahren immer mehr dezimiert und letztendlich ganz unter der Kraft der Natur im Greifswalder Bodden verschwunden ist. 

  • 1880 - wurde der letzte Wolliner Zeeskahn für 4000 Taler gebaut.

  • 1880 - Das schon 1815 in Chikago vorgestellte Mittelschwert wurde auf der internationalen Fischerei-Ausstellung in Berlin gezeigt. Es beginnt sich nun auch in unseren Breiten durchzusetzen.

  • 1884 - werden im Bereich der Oberfischmeisterei Stralsund 318 Zeesboote gezählt.

  • 1885 - Die letzten 3 Stralsunder Zeeskähne werden nur noch als Hälterfahrzeuge (Fischlieger, plattdt. Fischligger) benutzt. Die effektiveren Zeesboote haben nach und nach die Zeeskähne im Stralsunder Revier verdrängt.

  • 1886 - wird die Zeesenfischerei in Schleswig-Holstein untersagt.

  • 1889 - um die Rechte der Zeesenfischer zu sichern, wird die alte Stralsunder Fischer Rolle von 1601 den veränderten Zeitumständen angepasst (siehe Zeesnerstatut von 1892).

  • 1890 - Der Begriff „Treibzeesenfischerei" wird von Amts wegen eingeführt. Er steht für eine Grundschleppnetzfischerei, welche von nur einem Boot aus, ohne Motorkraft und ohne Scherkörper durchgeführt wird.

  • 1894 - Auf dänischen Werften, auf der Insel Fejø, entstehen die ersten Åledrivkvasen. Bei Niels Christian Nielsen werden, bis zum Jahr 1914, 40 Zeesboote nach pommerschen Vorbild gebaut. Nielsen setzt einen eingedeckten Fischkasten ins Mittelschiff, in Fußbodenhöhe. Dieser ist mit einem Eingabeschacht (Trumf) versehen. Diese, die Sicherheit an Bord erhöhende Neuerung, genannt der „Dän'sche Däken", wird nach 1900 auch von allen pommerschen Booten übernommen (dort auch Bünn oder Peik genannt).

  • Die in Dänemark gebauten Boote wurden allesamt in Klinkerbauweise ausführt. Auch auf vielen anderen Werften im südlichen Dänemark werden jetzt Tyskekvasen (deutsche Quatzen) gebaut. Vor dieser Zeit wurden, bis in die 90er Jahre hinein, 50 – 100 Boote aus Pommern nach Dänemark verkauft.

  • 1895 - Die meisten der Stralsunder Boote sind mit einem Mittelschwert ausgerüstet. Dadurch wird der zum Wechsel des Seitenschwertes vorgesehene Schwertgang vor dem Segelbalken überflüssig. Das Deck wird nun bis an den Segelbalken herangezogen. Die sonst glatt auf Deckshöhe abgeschlossene Vörunnerkappe wird jetzt über Deck erhöht und mit einem Niedergang ausgeführt. Die ältere Ausführung ist beim Museumsboot STR. 9 zu finden!

Die Stralsunder Zeesboote waren zu dieser Zeit allesamt schon ketschgetakelt; d.h. 1 ½-mastig, mit losem Klüver, Stagfock, baumlosen Großsegel, Gaffeltopsegel und Luggerbesan ausgestattet. Auf Hiddensee, im Mecklenburger Teil der Boddenkette (von Ribnitz bis Althagen) als auch im Wismarer Raum, kamen auch kuttergetakelte Boote (ohne Besan) zum Einsatz. Beide Takelungsarten haben sich bis heute bei den Zeesbooten erhalten.

Nach 1900 - werden wieder die alten Bootsformen mit konvex ausgeführten Vorsteven und Spitzgattheck gebaut, aber weiterhin zumeist mit kraweeler Beplankung.

In Lauterbach/Rügen, Greifswald-Wieck und an der Darßer Boddenkette werden die ersten Zeesbootregatten ausgetragen.

  • 1908 - Die Zeit der Fischerei mit den großen Zeeskähnen des Stettiner Haffs ist endgültig vorbei. Auf dem Haff war die Erlaubnis zum Zeesen an das jeweilige Fahrzeug gebunden. Somit wurde die Fischerei in Grenzen gehalten. Im Jahr 1903 begann der preußische Staat den Fischern die Erlaubnisscheine abzukaufen. Hintergrund war folgender: Die Driftstrecken der Zeesenfischer verliefen mitten durch das Gebiet der geplanten Kaiserfahrt. Der nachweislich durch Wasserbaumaßnahmen (Ausbaggerung) zurückgehende Fischbestand, wurde zu Unrecht den Zeesenfischern angelastet. Wahrscheinlich gab es in dem dann durch die Berufsschifffahrt sehr stark befahrenen Gebiet die Angst vor Beeinträchtigungen durch die manövrierbehinderten schwerfälligen Fischerkähne. Nach der bis 1908 befisteten Übergangszeit wurden die letzten Zeeskähne abgewrackt oder zu Fracht- bzw. Hälterfahrzeugen umgebaut. Durch die bis dahin auf die Zeeskähne fixierte Zulassung und durch die in diesem Gebiet später dominierente Garnfischerei, konnte sich eine Fischerei mit Zeesbooten , wie sie z. B. im Stralsunder Revier stattgefunden hat, auf dem Oderhaff nicht entwickeln. Die Ausübung der Fischerei mit Tuckerkähnen (Tucker) und Taglern (Taglerpolten) war jedoch weiterhin gestattet (Tuckzeesenfischerei).

  • 1927 - Ein Stralsunder Fischer baut den 1. Hilfsmotor in sein Zeesboot ein. Die Fischer erhalten Reichsdarlehen, um den Einbau der Glühkopfmotoren finanzieren zu können. Zur Hebung der Fischerei (Organisation der Fischerei, zur besseren Versorgung der Bevölkerung mit Fisch) haben sich vielerorts Fischereivereine gegründet, welche die Fischer bei den Formalitäten unterstützen. Durch den Einbau der Motoren weicht der Fischkasten, falls er sich noch vor der Besanducht befindet, in den Bereich neben bzw. hinter das Schwert. Bedingt durch die Höhe der Glühkopfmotoren, entstehen kleine Maschinenkappen auf dem Achterschiff, die später zur hinteren Kappe ausgebaut werden. Durch den Motoreinbau verändert sich auch die Form des Achterstevens.

  • 1935 - Der letzte Stralsunder Zeeskahn, welcher noch über 40 Jahre als Hälterfahrzeug (Ligger) gedient hatte, wird abgewrackt.

  • 1939-1945 - Der 2. Weltkrieg hat seine Auswirkungen auf die Zeesenfischerei. Nach 1945 kommt das Gewerk nur zögerlich wieder in Gang. Neue Zeesboote werden kaum noch gebaut. Man setzt auch artfremde Boote zum Zeesen ein. Auch manche Frau ist zu dieser Zeit mit an Bord. Zeesboote werden zur Munitionsbergung in den Häfen und an der Küste eingesetzt.

  • 1950er - Von den 50ern, bis Ende der 60er Jahre, kommt es in den Boddendörfern der Barther Boddenkette sowie auf Fischland/Darß zu einer Renaissance der Zeesenfischerei. Die Fischer aus den Boddendörfern zeesen auf Pacht im Großen Jasmunder Bodden und im Greifswalder Bodden. In der Saison 1956 sollen bis zu 35 Boote in Päckchen im Ralswieker Hafen gelegen haben. Die Fischer fuhren übers Wochenende mit öffentlichen Verkehrmitteln nach Hause in die Boddendörfer, die Boote blieben  in Ralswiek. Bis zur Deutschen Einheit (1990) sind mittlerweile mit Ruderhaus versehene, zum Kleinkutter umgerüstete ehem. Zeesboote, z.B. in der Heringssaison und an den Reusen im Einsatz.

  • 1958 - Das 1928 in den Fischereiverein integrierte Stralsunder Amt der Zeesener wird aufgelöst.

  • 1965 - Der Bodstedter Ekkehard Rammin organisiert die 1. Bodstedter Zeesbootregatta. Ekkehard fährt mit dem Motorrad um den Bodden und versucht die Fischer für seine Idee zu begeistern. 8 Fischer kann er für die erste Wettfahrt gewinnen, unter der Bedingung, dass er für evtl. Schäden an den Booten aufkommt. Bei starkem Nordwest, mit Stärken von 5-7 Bft., kommt es auch promt zu zwei Mastbrüchen. Diese erste Regatta gewinnt der Fischer Helmut Lange aus Pruchten mit seiner PRU. 3 (heute FZ 71). Nach den ersten Zeesbootregatten kommt es, Dank der Initiative von Ekkehard Rammin dazu, dass immer mehr Sportsegler sich für die alten Fischersegler interessieren. Nach und nach geht das noch verfügbare Material in deren Hände über, wo es liebevoll erhalten wird. Im Rahmen der Zeesbootregatten werden auch Schaudriften mit Zeesbooten durchgeführt, unter der Auflage, dass mit offenem Netzsack gefischt wird.

  • 1974 - An einem Sommerabend zeesen Bodstedter und Pruchtener Fischer im Stralsunder Stadtrevier. Um nicht zu sehr aufzufallen, lagen sie tagsüber im kleinen Yachthafen am Rügendamm. Als Stralsunder Stadtfischer davon Wind bekommen, klagen sie ihre Rechte beim Fischmeister ein. Die fremden Fischer hatten illegal innerhalb der im Jahre 1314 festgelegten Stralsunder Fischereigrenzen gefischt und wurden abgestraft!

  • 1977 - Diese Jahreszahl besiegelt das Ende der Zeesenfischerei im Wismarer Raum. Im Salzhaff ist man zur Fischerei mit Aalketten übergegangen. Zeesboot-Driften lohnen sich nicht mehr.

Zum Ende der siebziger Jahre stirbt dieses uralte Fischereigewerbe dann auch in den anderen Gebieten aus. Ein Grund dafür war auch der Übergang zur staatlich subventionierten Fischerei mit Großreusen und der damit verbundene Aufschwung der Fischereiproduktionsgenossenschaften (FPG).

  • 1980 - Nur noch 2 Fischer haben Erlaubnisscheine zum Zeesen beim Stralsunder Fischmeister beantragt. Es sind Karl-Heinz Kafka aus Born (BOR. 4) und der Renter Max Heise aus Stralsund (STR. 13). Für das Salzhaff hat der Reriker Fischer Reinhard Techel noch einen Erlaubnisschein inne. Er zeest gelegentlich, zusammen mit seiner Frau Susanne, noch bis zum Jahr 1990. Sein weitestgehend original erhalten gebliebenes Boot segelt heute noch unter der Registriernummer FZ 89.

  • 1982 - Der Fischer Andreas Schönthier hat mit dem ehem. Boot von Fischer Kafka (jetzt WUS. 7) in den Sommermonaten die Zeesenfischerei im Großen Jasmunder Bodden wieder aufgenommen.

  • 1985 - 1. Wustrower Zeesbootregatta

  • 1987 - 19 Zeesboote nehmen an der Parade zur 750-Jahrfeier Berlins teil. Sie fahren über das Stettiner Haff und werden dann die Oder hinauf, bis nach Eisenhüttenstadt geschleppt.

  • 1988 - 1. Dierhäger Zeesbootregatta

  • 1990 - Nach der Deutschen Wiedervereinigung fallen durch die Auflösung von Fischereiproduktionsgenossenschaften (FPG's), bzw. wegen Modernisierung, nochmals eine Reihe von ehem. Zeesbooten und Strandbooten aus der Fischerei heraus. Die Flotte der Traditionsboote gewinnt daher noch einmal kräftig an Zuwachs.

Erstmals gibt es, unter Federführung von Ekkehard Rammin, wieder Kontakte nach Dänemark. 5 Zeesboote nehmen am Drivkvasentreffen und der Regatta auf der kleinen Insel Fejo teil.

In den 90er Jahren wird die Schleppnetzfischerei innerhalb der 3 Meilenzone verboten. Somit ist auch der Zeesenfischerei in den Boddengewässern die gesetzliche Grundlage entzogen.

  • 1994 - 1. Althäger Fischerregatta

  • 2001 - 1. Barther Zeesbootregatta

  • 2001 - erhalten erstmals wieder zwei Zeesboote eine Sondergenehmigung für die Treibzeesenfischerei. Es erfolgte eine genaue statistische Datenerfassung zur Fischereidurchführung und Fangauswertung in einem speziellen Driftprotokoll.

  • 2002 - Im Mai wird unter Leitung von Andreas Schönthier der "Verein der Zeesner e.V." gegründet, mit dem Ziel die Driftfischerei unter Segeln der Nachwelt zu erhalten und interessierten Menschen zu demonstrieren.

  • 2003 - 1. Zingster Zeesbootregatta

  • 2005 - In der novelierten Küstenfischereiordnung des Landes M-V wird die Treibzeesenfischerei wieder unter entsprechenden Auflagen erlaubt. Seitdem wird jährlich die Zeesenfischerei (als Versuchsfischerei), auf Antrag des Vereins der Zeesener, zum Zwecke der Traditionspflege und des Erhalts alter Fischereitechniken durchgeführt.

  • 2006 - Der Pruchtener Fischer Horst Grählert hat zusammen mit seinem Sohn die Zeesenfischerei unter Segeln, zu Versuchs- und Demonstrationszwecken, wieder aufgenommen. Das Zeesboot "Paula" (PRU. 7), welches in den letzten Jahren als Kleinkutter fuhr, wurde wieder zum Zeesen ausgerüstet. Die Zeesboote "Sannert" (FZ 33 / WUS. 7) und "Richard D." (FZ 94) nehmen ebenfalls jährlich im September an den Schaudriften des Zeesner Vereins vor Althagen teil.

Ca. 10 ehem. Zeesboote sind noch als Kleinkutter bei den Boddenfischern im Einsatz. So zum Beispiel auf Ummanz, in Stahlbrode, in Stralsund oder Bodstedt.

  • 2007 - Seit Ende des Jahres gelten bzgl. der Personenschifffahrt mit Zeesbooten neue Sicherheitsbestimmungen (Zeesbootrichtlinie). Der Skipper muss nun im Besitz eines modifizierten Schifferpatents (C1) sein und ein Funkzeugnis besitzen. An Bord muss sich eine betriebsbereite Funkanlage befinden. Zusätzlich muss ein zweiter Mann (Decksmann) an Bord sein, der mindestens im Besitz eines Schifferdienstbuches ist. Diese und weitere auf dem Boot umzusetzende Sicherheitsbestimmungen, zwingen einzelne Skipper zur Aufgabe der gewerblichen Gästefahrten.

  • 2010 - Am jährlichen "Vereinszeesen" in Althagen nimmt auch das Zeesboot FZ 104 "Bernstein" teil.

  • 2012 - Die Werft Rammin stellt den zum Zeesboot aufgetakelten ehem. Boddenkutter STR. 5 des Stralsunder Fischers Paul Hübner für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung. Dies wird als eine Chance für die Nachwuchsgewinnung in der Zeesbootszene gesehen.

  • 2014 - Vom 05. - 07. September findet zum 50. Mal die Große Bodstedter Zeesbootregatta statt. Das Ziel, dass mindestens 50 Zeesboote zu diesem Ereignis am Start sind, wird erfüllt. Am Vorabend der Jubiläumsregatta wird auch der frisch sanierte und erweiterte Hafen und Wasserwanderrastplatz eröffnet. Zur Hafeneröffnung durchfährt ein Fahrgastschiff der Reederei Kruse & Voß  symbolisch ein quer durch die Hafeneinfahrt gezogenes Band.

  • 2017 - Ekkehard Rammin erhält für seine Verdienste zum Erhalt der Zeesboote den Kpt. Kazimierz Haska Preis. Hierbei handelt es sich um einen der renomierten Seglerpreise, die jährlich von der Stadt Stettin in verschiedenen Kategorien an verdiente Segler oder Vereine verliehen werden.

    Eine Interessengemeinschaft mit dem Namen "Holzboote Bewahren und Segeln", bestehend aus dem Verein der Zeesener e. V. und der Klassenvereinigung der Zeesboote, brachte im Herbst des Jahres 2017 einen Antrag zur Aufnahme traditioneller Zeesbootaktivitäten in die Deutschlandliste des Immateriellen Kulturerbes (IKE) auf den Weg. Federführend bei der Ausarbeitung waren Frau Antje Hückstädt vom Dassmuseum Prerow sowie unsere Mitglieder Dr. Helmut Risch, Andreas Schönthier u. Uwe Grünberg. Gutachterliche Stellungnahmen zum Antrag wurden von Dr. Wolfgang Steusloff von der Universität Rostock sowie von Dr. Thomas Förster vom Deutschen Meeresmuseum Stralsund ausgearbeitet.

  • 2018 - Ende des Jahres wird die "Bewahrung und Nutzung der Zeesboote in der Mecklenburg-Vorpommerschen Boddenlandschaft" in das bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbe eingetragen.

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